Wetterkapriolen sorgen für brisante Rennen und Überraschungen zum Saisonauftakt
Die Internationale Deutsche Motorradmeisterschaft (IDM) hätte nicht spannender beginnen können. Der Saisonauftakt in Deutschlands höchster Serie auf zwei Rädern geriet zur Achterbahn der Gefühle. Ständig wechselndes Wetter machte vielen Teams und Fahrern einen Strich durch die Rechnung, sorgte aber auch für neue Sieger.
Die IDM Superbike 1000, in der die Motorradmarken BMW, Honda, Kawasaki und Yamaha ums Image kämpfen, begann mit einem Wet-Race über 18 Runden. Das heißt: Das Rennen der über 200 PS starken Motorräder wird selbst bei einem Wetterumschwung nicht abgebrochen, um die Reifen zu wechseln. Florian Alt (Wilbers-BMW-Racing) entschied sich auf der Pole Position für Regenreifen. Damit traf er die gleiche Wahl wie zwei Drittel des Feldes.
Marc Moser (Bonovo Action by MGM Racing), der im freien Training dominiert hatte, riskierte auf der zweiten Startposition alles und setzte komplett auf profillose Slicks. Und dann gab es Fahrer, die ihre Räder vorne und hinten unterschiedlich ausrüsten ließen, unter anderem der Schweizer Dominic Schmitter (Hess Racing), der Belgier Bastien Mackels (SWPN) und Alessandro Polita (HRP-Honda) aus Italien. Polita war sich nicht ganz sicher, ob das funktionieren würde, aber den Versuch war es wert, um von der neunten Startposition nach vorn zu kommen.
Zuerst schien die Entscheidung ein Fehler zu sein, im Verlauf des Rennens erwies sie sich als goldrichtig. Auf der trockener werdenden Strecke kamen die Fahrer mit Slicks immer besser in Fahrt, während Polesetter Alt aus den Top Ten rutschte. Dafür hatte sich Moser an die Spitze des Feldes gesetzt und am Ende war ihm der Sieg nicht mehr zu nehmen: „Ich habe auch noch einmal richtig gepusht, denn ich wollte, dass der Vorsprung reicht, falls es wieder anfängt zu regnen.“ Zweiter wurde Dominic Schmitter vor Bastien Mackels. Yamaha feierte damit einen dreifachen Erfolg mit Fahrern, die aus drei Ländern kommen: aus Deutschland, der Schweiz und Belgien.
Julian Puffe brachte als Vierter im neuen Superbike-Team GERT56 die erste BMW ins Ziel. Alex Polita, der einzige Honda-Pilot im Feld, wurde Fünfter. Die beste Kawasaki steuerte Valentin Debise. Der Franzose kam als Achter an. Die IDM Superbike 1000 hätte nicht spannender beginnen können.
Das zweite IDM Superbike 1000-Rennen brachte eine Wende in der Königsklasse. Der zweifache Meister Ilya Mikhalchik siegte überlegen auf der neuen BMW M 1000 RR des Teams EGS-alpha-Van Zon-BMW. Gleichzeitig übernahm er die Tabellenführung. Luca Grünwald (Kiefer Racing Team) wurde Zweiter vor Vladimir Leonov (Hertrampf MO Yamaha Racing). Bis es zu diesem Ergebnis kam, dauerte es nicht zuletzt wegen der Startaufstellung nach dem Reverse-Verfahren bis zur letzten Kurve in der letzten Runde.
Mikhalchik war schon im Ziel, als es 8,5 Sekunden hinter ihm endgültig zur Sache ging. Grünwald schnappte sich den Russen komplett im Drift in der letzten Kurve. Die IDM Superbike 1000-Premiere des ehemaligen WM-Teams von Jochen Kiefer war damit geglückt. „In der Schikane auf der anderen Seite war Vladimir schneller als ich und dann sind mir noch ein paar Fehler passiert. Mir blieb also nur die letzte Schikane, um vorbeizukommen“, berichtete Grünwald.
Die Gesamtwertung in der IDM Superbike 1000 führt nach den zwei Rennen in Oschersleben Mikhalchik (34 Punkte) vor Schmitter (31), Mackels (29), Leonov (26) und Moser (25) an.
In der IDM Supersport 600 gab es einen Doppelsieg für Valentin Debise (Kawasaki Weber-Motos Racing). Er fährt auch in der IDM Superbike 1000 und gehört dort zu den Favoriten, doch der Franzose ist ein echter Vielfahrer und hat sich auch in der mittleren Hubraumklasse angemeldet. Mit Erfolg. Im ersten Rennen wurde der Nieselregen immer stärker. Die Rennleitung brach den Lauf ab. Der Zieleinlauf nach der achten Runde kam in die Wertung. Auf einen Neustart wurde wegen der anhaltenden unklaren Wettersituation verzichtet. Zum bis dahin dominierenden Debise gesellten sich der bayrische Yamaha-Pilot Patrick Hobelsberger (Bonovo Action by MGM) und Marcel Brenner (Hess Racing) aus der Schweiz aufs Podium.
Debise war auch im zweiten Rennen der Supersportler eine Klasse für sich. Es musste in zwei Teilen ausgetragen werden, denn wegen des erneut schlechten Wetters war eine Unterbrechung unumgänglich. Der zweite Start erfolgte nach der Aufstellung des Zieleinlaufs vor dem Abbruch. Debise baute seinen Vorsprung als Führender auf über 21 Sekunden aus. Mit seiner Verpflichtung haben sich das Team aus der Schweiz und der unterstützende Importeur aus Deutschland einen Goldfisch an Land gezogen.
Rob Hartog, der als Zweitplatzierter des Rennens auch den zweiten Platz in der Tabelle eroberte, war einfach nur glücklich über den Podiumserfolg. Sein 20-jähriger Teamkollege Dino Iozzo aus Südafrika wurde Dritter. Für Teammanager Rob Vennegoor war das ein voller Erfolg. „Wir sind neu in der IDM Supersport 600 und kennen die Motorräder auch noch nicht so gut.“ Er rechnet aber auch im Trockenen mit Top5-Plätzen seiner Piloten. In der Gesamtwertung führt Debise (50 Punkte) vor Hartog (31) und Hobelsberger (26).
Im innerhalb der IDM Supersport 600 ausgetragenen Superstock 600-Cup, der separat gewertet wird und in dem weniger an den Motorrädern geschraubt werden darf, ist der Luxemburger Noah Lequeux (Yamaha) der Spitzenreiter.
Der Mann der Stunde im ersten Rennen der IDM Supersport 300 hieß Marvin Siebdrath (Team Füsport – RT Motorsports by SKM-Kawasaki). Der 17-jährige Kawasaki-Pilot lieferte sich bis zum Schluss einen spannenden Fight mit Titelverteidiger Lennox Lehmann (Freudenberg KTM WorldSSP Team), der den Sieg nur um knappe 0,079 sec verpasste. Dritter wurde Klassen-Neuzugang Twan Smits (Apreco) auf Yamaha. Der zu Beginn führende Dirk Geiger (Freudenberg KTM WorldSSP Team) konnte nicht lange an der Spitze mithalten. Der 18-jährige Mannheimer wurde im Fahrerfeld durchgereicht und landete am Ende auf Rang 12. „Wir hatten das Problem mit der Elektronik bereits am Freitag in den freien Trainings, konnten es aber für die Qualifyings beheben. Aus uns noch nicht geklärten Gründen ist es dann leider mitten im Rennen wieder aufgetreten“, erklärte Teamchef Carsten Freudenberg nach dem Rennen. Toni Erhard (Roto-Store BRT), Meister von 2018, musste nach einem Sturz im ersten Renndrittel frühzeitig aufgeben. Die Wetterbedingungen waren auch hier alles andere als Friede, Freude, Sonnenschein gewesen. Stattdessen hielten Wind, wechselnde Verhältnisse und eine zu 60 Prozent trockene Strecke schwierige Bedingungen für die Fahrer bereit.
Mit einem Fotofinish endete das zweite Rennen in der Nachwuchsklasse. Der 15-jährige Lennox Lehmann (Freudenberg KTM WorldSSP) darf sich jetzt nicht nur Meister von 2020, sondern auch Rennsieger nennen. Der Dresdner stand heute erstmals auf dem obersten Treppchen und setzte sich mit 45 Zählern an die Spitze der Gesamtwertung. „Nach meinem Meistertitel nun auch einen Sieg in der Tasche zu haben, ist schon etwas ganz Besonderes für mich“, freute er sich. Auch das Rennen entwickelte sich für ihn überraschend anders als anfangs gedacht. „Mein Teamkollege Dirk Geiger und ich hatten uns schnell vom Feld abgesetzt. Ich dachte, die anderen Fahrer würden nicht mehr an uns herankommen. Ein paar Runden später waren sie plötzlich direkt hinter mir und ich wusste: Ich muss jetzt so schnell wie möglich nach vorn.“ Geiger sicherte sich mit dem zweiten Platz 20 Meisterschaftspunkte und ist damit Fünfter in der Gesamtwertung. Direkt hinter Lehmann rangieren Auftaktsieger Marvin Siebdrath (38 Punkte) und Luca de Vleeschauwer (29). Der 18-Jährige vom Team Füsport – RT Motorsports by SKM – Kawasaki wurde im zweiten Lauf Dritter.
„Die erste Veranstaltung ist im Kasten. Wir haben extrem spannende Rennen erlebt. Die Ergebnisse versprechen eine aufregende Meisterschaft mit viel Abwechslung“, zieht IDM-Serienmanager Normann Broy ein Fazit. „Trotz der ständig wechselnden Wetterlage gab es keine schweren Unfälle. Das ist für uns sehr wichtig. Die Sicherheit der Fahrer muss gewährleistet sein. Natürlich haben uns die Zuschauer gefehlt, die wegen der Corona-Bestimmungen nicht vor Ort sein durften. Wir denken und hoffen aber, dass sich das bald ändern wird. Im Moment sind wir guter Dinge.“ Das Promoter- und Organisationsteam der IDM setzte in Oschersleben alle Hebel in Bewegung, um den Event durchführen zu können. Umrahmt wurde es vom Northern Talent Cup, dem Twin Cup sowie dem Pro Superstock Cup. Die Rennen wurden per Livestream übertragen.