Er legte Wert auf Ehrlichkeit, Treue und Freundschaften. Er hat jede Fahrerbesprechung mit seinem Sprüchen und Gesten zu einem Ereignis gemacht. Jetzt ist Dr. Christoph Scholl tot. Der leidenschaftliche Mediziner und Motorradfahrer erlag am 5. März seinem Krebsleiden. Er wurde 78 Jahre alt. Seine letzte Reise tritt er in einer Woche, am Montag, dem 24. März 2025, an, wenn er um 11:00 Uhr in Könnern (Sachsen-Anhalt) beerdigt wird.
Christoph Scholl war ein Unikat in der Motorradszene, vor allem eines der markantesten. Auf den ersten Blick war es manchmal kaum zu glauben, dass dieser unbekümmerte Mann den Arztberuf ergriffen hat und was er auf dem Kasten hat. Doch der äußere Eindruck täuschte. Er hat etlichen Fahrern auf und neben der Rennstrecke wieder auf die Beine geholfen, selbst mir (der Autorin), als ich beim Dirt Track in Barcelona nicht mehr wusste, was an meinem Körper oben und unten ist. „Scholli“ hat so viele behandelt vom Hobbyfahrer über die IDM-Größen und Grand-Prix-Stars – überall, im Krankenhaus oder notfalls auch in seinem Wohnwagen auf dem Küchentisch. Und damit Karrieren gerettet.
Christoph Scholl hat Humanmedizin studiert, 1973 das Staatsexamen gemacht und vier Jahre später promoviert. Thema seiner Doktorarbeit: „Ventrikelwandfunktion bei partieller Ischämie am narkotisierten Hund.“ Dafür hatte einen Hund am Herzen operiert, ein Gefäß unterbunden, die Werte gemessen und geforscht, was man alles tun kann, um die Herzfunktion unter diesen Bedingungen zu verbessern. Scholl bestand mit „summa cum laude“, dem höchsten Prädikat für Doktorarbeiten. Sonst hatte er mit Tieren nie etwas zu tun.
Seine Liebe galt dem Rennsport. Seit 1994 war er Rennarzt, wenn er nicht gerade selbst fuhr. Aufgewachsen in St. Wendel, kam er frühzeitig mit Motorrädern in Berührung. Früher übernachteten die Rennfahrer bei den Einheimischen im Ort. „Das NSU-Werksteam kam damals mit drei Bussen und war bei uns im Hof zu Hause“, hat Scholl mal zum Besten gegeben, bevor er 1969 selbst sein erstes Rennen fuhr. Zum Entsetzen seiner Eltern. „Sie haben sich gefragt, was sie falsch gemacht haben.“ Der Vater war Oberstudienrat und hatte sich ein anderes Hobby für seinen Sohn gewünscht. Doch dieser war nicht mehr zu bremsen.
Um sich seine Motorräder leisten zu können, jobbte er als Student. Und bei einigen Zahnmedizinern half er bei den entscheidenden Passagen ihrer Doktorarbeit mit. Scholl schaffte es, seinen Beruf mit dem Hobby zu verbinden. 1991 und 1992 war er offizieller Arzt beim HB-Racing Team in der Motorradweltmeisterschaft. Zuvor hatte er dort schon einmal ausgeholfen: als Koch und Mädchen für alles. Der später schwer verunglückte GP-Pilot Reinhold Roth hatte bereits 1986 erkannt, dass Scholl vielseitig verwendbar sein. Wenn es sein musste, auch als Busfahrer. Abgesehen von den vielen Behandlungen, die Scholl ausführte, bemerkte er, dass auch emotionale Dinge eine große Rolle bei der Heilung spielten.
Da war zum Beispiel die Sache mit der Ananas. Scholl hatte bei einem Maori in der Südsee Ananas kaufen wollen und gab als Bezahlung zwei Dollar. Der Maori hat ihm dafür den ganzen Wagen umgekippt. Scholl wusste gar nicht wohin damit, aber zum Wegschmeißen waren die Früchte zu schade. Er sammelte alles ein, schleppte die Früchte ins Hotel und presste sie über Nacht im Zimmer aus. Nachher waren es drei Liter Sirup und die hat er mit nach Laguna Seca genommen. Dort sollten sie in die Geschichte eingehen. Scholl freute sich wie ein kleines Kind.
Rolf Biland von den Seitenwagen war der erste, der runterfiel. Schlüsselbeinbruch. Als Scholl ihn behandelte, drehte sich der Schweizer immer um und wollte wissen, was im Raum so gut riecht. Scholl verkaufte ihm das als super Mittel, das ihn richtig nach vorn bringen würde. Dann hat er den Sirup rausgeholt, mit Wasser verdünnt und ein Iso-Spritzer reingetan. Biland hats getrunken und war danach Zweiter im Training – trotz Bruch und Rucksandverband. Ein paar Stunden später stand das halbe Fahrerlager vor Scholls Wohnwagen und wollte etwas von dem Getränk haben. Scholl konstatierte damals fast reumütig: „Wenn ich denen gesagt hätte, dass ich das nur aus Verzweiflung getan habe, weil ich dem Biland helfen wollte und es konzentrierter Ananas-Saft war, hätte das eine Krise ausgelöst. Aber das wollte sowieso keiner wissen.“
Als langjähriger Vorreiter und Veranstalter des Doc-Scholl Fahrertrainings ging es dem Doktor wirklich ums Trainieren. „Es funktioniert nicht, sich einfach aufs Motorrad zu setzen und Gas zu geben.“ Und Scholl ging es um den ganzheitlichen Ansatz: „Ernährung, Motivation, Konzentration und richtiges Trinken gehören dazu.“ Trotz seiner lustigen Art in Verbindung mit seinen enormen rhetorischen Fähigkeiten, war Scholl immer mit Ernst bei der Sache. Der Doc war Zeit seines Lebens ein gefragter Mann. Besonders montags, wenn wieder ein Rennwochenende vorbei war. Am besten wäre es gewesen, wenn Christoph Scholl hätte Ferndiagnosen abgeben können. Wenn das Telefon klingelte, musste es nicht sein, dass sich jemand für seine Trainings anmelden, sondern Röntgen-Bilder per E-Mail schicken wollte.
Als Menschen mit Herz und Seele, der für andere bedingungslos einstand, werden wir Christoph Scholl in Erinnerung halten. Er hatte gehofft, zu Ostern vielleicht noch ein paar Runden mit einem kleinen E-Motorrad auf der Rennstrecke drehen zu können, aber dazu kommt es nicht mehr. Seiner Frau Imke und seinem Sohn Julius gilt unser Mitgefühl.