Völlig entspannt lehnt Toni Erhard im Campingstuhl und blickt mit einem zuversichtlichen Lächeln im Gesicht auf seine KTM. Die rund 52 PS starke Supersport 300-Maschine steht fertig vorbereitet unter dem weißen Vorzelt. Wenige Stunden vor dem entscheidenden Rennen in der Meisterschaft. Den einzigen Ausfall der Saison nach dem Sturz am Vortag hat der 17-jährige Abiturient offenbar gut verkraftet. Vor dem entscheidenden Rennen verfügt er noch über einen ordentlichen Vorsprung von 22 Punkten auf den stärksten Verfolger Dion Otten.
Die Stimmung im gesamten Familienteam ist gut. Erhard braucht diese Atmosphäre, für die seine Eltern Jana und Thiemo an den Rennwochenenden sorgen. „Bei uns geht es immer locker zu“, sagt Erhard. „Es darf nicht zu verbissen sein, das liegt mir nicht.“ Die vertraute Umgebung ist ein Erfolgsgeheimnis des neuen Champions, der sich den Titel mit dem zweiten Platz im letzten Rennen der Saison sichert. Sein zehnter IDM-Podiumsplatz zeugt von bemerkenswert konstanten Ergebnissen während der gesamten Saison.
Nach verhaltenem Start kommt das Talent aus Sachsen immer besser in Schwung. „Der Speed war von Anfang an da“, erinnert sich der Abiturient. „Aber die Konkurrenz hatte am Anfang mehr Erfahrung als ich.“ Es passt zu Erhards Liebe für Vertrautes, dass auf dem Sachsenring der Knoten platzt. Dort gewinnt er das Gastrennen im Rahmen des deutschen Grand Prix gegen den WM-Piloten und IDM-Vorjahresmeister Jan-Ole Jähnig. In der IDM folgen ein zweiter Platz und ein Sieg auf dem Lausitzring sowie der Doppelsieg von Assen.
Mit seiner Erfolgsserie überholt den bis dahin führenden Victor Steeman und übernimmt vor dem Saisonfinale die Führung in der Gesamtwertung. Plötzlich ist der Sachse Favorit im Meisterschaftsrennen. Für die Entscheidung in Hockenheim kann er auf eine seiner Stärken vertrauen: „Ich brauche nur wenig Training, um schnell zu sein.“ Neben den knappen Rennwochenenden hat der Pilot des Kiefer Racing Teams kaum Gelegenheit zum Testen.
Trotzdem ist er auf seinem Rennmotorrad die Ruhe selbst: „Er behält immer die Nerven“, weiß Mutter Jana und lobt ihren Sohn weiter: „Außerdem geht er sehr strukturiert an die Sache.“ Auch sie hat vor dem entscheidenden Rennen keinen Zweifel, dass es mit dem Meistertitel für Toni klappt. Neben seinen Eltern und dem Mechaniker gehört auch das Kiefer Racing Team zu seiner Familie. „Es ist immer schön, mit Jochen Kiefer zu reden“, so Erhard. „Man merkt, dass man in der Familie drin ist. Kiefer Racing ist ein bekannter Name, das hilft natürlich auch bei Sponsorengesprächen.“
Die größte Überraschung wartet auf Toni Erhard nach der letzten Zieldurchfahrt. Sein Teamchef Jochen Kiefer ist überraschend nach Hockenheim gekommen und hat die Meisterkür seines Schützlings live erlebt. Mit einem tief zufriedenen Lächeln nimmt Erhard dessen Glückwünsche entgegen. Seine Pläne für die kommende Saison weisen auf vertrautes Gelände: Nach seinem Abitur auf dem Bertolt-Brecht-Gymnasium in Schwarzenberg möchte Toni Erhard seinen IDM-Titel in der Supersport 300 verteidigen.