IDM
Internationale Deutsche Motorradmeisterschaft
IDM SBK: Thomas Gradinger zieht den Schluss-Strich

IDM SBK: Thomas Gradinger zieht den Schluss-Strich

Letzte Rille: Der Österreicher Thomas Gradinger verabschiedet sich nach 15 Jahren vom Wettkampf auf der Rundstrecke. Text: Anke Wieczorek; Fotos: Dino Eisele

Die Nachricht kommt unerwartet. Die Spekulationen, dass Thomas Gradinger eine Pause vom Motorradrennsport einlegt, haben sich nicht bewahrheitet. Die Tragweite ist weitaus größer. Der 28-jährige Österreicher aus St. Marienkirchen bei Schärding zieht den Schluss-Strich unter seine Karriere auf der Rundstrecke.

Als wir mit ihm sprechen, ist der immer gut gelaunte und ebenso farbenfrohe Österreicher, der für jeden Spaß zu haben ist, gerade auf dem Rückweg vom Motocross-Training in Italien. Er hat sich eine 350er Husquarna gekauft und findet es cool, sein Hobby sogar mit der Freundin teilen zu können, „und es ist immer noch etwas mit zwei Rädern“, wie er sagt. „Wenn ich Lust habe, fahre ich auch mal ein Rennen, aber ganz entspannt“, schiebt er nach.

Der Entschluss, die Rundstrecke zu verlassen, ist endgültig. Thomas „Tomsi“ Gradinger liefert eine Erklärung: „Ich war schon vor der letzten Saison unschlüssig. Dann habe ich auf ein Honda-Superbike getestet und so ist eins zum anderen gekommen, allerdings mit Yamaha. Über die ganze Saison war es schwierig, die richtige Motivation zu finden. Der Rennsport erfordert viel Zeit und ich habe ihn 15 Jahre lang gemacht. Du musst schauen, dass du körperlich fit bist, das war ich nicht immer. Und du musst noch schneller werden, denn die jungen Fahrer kommen nach.“

Die vergangene Saison lief nicht optimal für den Oberösterreicher. Seinen Aufstieg zu den Superbikes schloss er am Ende auf Gesamtrang 14 in Deutschlands höchster Rennsportklasse ab. „Aber daran liegt es nicht“, wirft er ein, „ich fahre gerne Motorrad. Es ist das ganze Drumherum.“

Gradinger denkt an seine Zukunft, wenn er sagt: „Ich muss auch meine Kohle verdienen.“ Zu Hause arbeitet der Tattoo-Liebhaber im Familienbetrieb mit. Die Gradingers haben ein Müllabfuhr- und Transportunternehmen. „Das passt jetzt, wie es jetzt ist“, meint Gradinger, der sich auch mit Ex-WM-Fahrer Christian Kellner ausgetauscht hat. Dieser hat ihm gesagt, dass es den perfekten Zeitpunkt sowieso nicht gebe, um aufzuhören. „Und ich hab´s jetzt gemacht“, so Gradinger.

Seine Karriere begann 2009 im ADAC Junior Cup, führte ihn in die IDM 125 und IDM Moto3. Anschließend fuhr er in der Spanischen Motorrad-Straßenmeisterschaft (CEV) in der Moto2-Klasse. Ende der Saison 2016 erfolgte der Einstieg in die IDM Supersport 600 mit dem Team Buchner Motorsport auf. Bei vier von sechs Rennen erreichte Gradinger das Podest, darunter zwei Siege beim Saisonfinale am Hockenheimring. Im Folgejahr startete er für das Team MPB in der Supersport 600. „Tomsi“ gewann vier Rennen und stand bei zehn von zwölf Rennen auf dem Podest, womit er sich den Meistertitel mit 26 Punkten Vorsprung auf Kevin Wahr sicherte. Außerdem startete er auf dem Lausitzring erstmals in der Supersport-Weltmeisterschaft. Als Wildcard-Fahrer erzielte er Rang neun und sieben WM-Punkte. Im Jahr 2018 nahm Gradinger komplett an der Supersport-WM teil und beendete die Saison als bester Neuling auf Gesamtrang sieben. „Hätte mir das jemand ein Jahr vorher prophezeit, dem hätte ich den Vogel gezeigt“, sagte er damals. Seine Gegner hatte der gelernte Kfz-Mechaniker zuvor nur aus dem Fernsehen gekannt.

Zur Saison 2019 wechselte er ins Kallio Racing Team. Der Österreicher erreichte am dritten Rennwochenende im Motorland Aragón seine erste Pole-Position und beim darauffolgenden Event in Assen seinen ersten WM-Podiumsplatz. Für die Saison 2020 einigte sich Gradinger mit dem Kiefer Racing Team. Doch noch während der Saisonvorbereitungen verkündete Chef Jochen Kiefer, dass das Budget nicht für eine volle Saison ausreiche und zog sich aus der WM zurück. Gradinger erhielt somit 2020 keinen Stammfahrerplatz. Als er 2021 in die IDM zurück kehrte und sich in der Supersport-Klasse mit dem Team Eder Racing anmeldete, machte er dort weiter, wo er ein paar Jahre zuvor aufgehört hatte: Mit Siegen und Podiumsplätzen. Teamchef Thomas Eder ist auch einer seiner besten Freunde. Gradinger musste während seiner Karriere jedoch auch mehrere heftige Verletzungen einstecken. So hatte er sich 2022 auf dem Schleizer Dreieck beim Einschlag in die Reifenstapel die Schulter verletzt, sich eine Lungen-Prellung zugezogen sowie den dritten, vierten und fünften Brustwirbel gebrochen.